Donnerstag, 16. Oktober 2014

Menschwesen - Menschgewesen (Kultur versus Natur II)

Bild: Deutsche Fotothek / Roger Rössing cc - bearbeitet


















Als Menschlichkeit, Humanität
gefühlt, gezüchtet, gepredigt, gesät
versteht der Mensch die Nächstenliebe
verortet sie jenseits „gottloser“ Triebe;
rühmt sich mit barmherzigen Taten
trägt Almosen in ärmliche Katen
in denen erst durch Menschlichkeit
Menschen erleiden unmenschliches Leid.

Denn wahrlich menschlich ist
dass der Stärkere den Schwächeren frisst
seinem Nachbarn das Futter neidet
gewissenlos auf fremden Weiden weidet
sein Verlangen als milde Wohltat tarnt
das die Schafe vor wilden Wölfen warnt;
die leibhaftige Bestie in des Schäfers Gewand
tötet meist gänzlich unerkannt.

Menschlichkeit ist letztendlich Metaphysik
innen hohl, und doch mächtig und dick
eine Vokabel, die umschreiben soll
der Mensch ist edel, tolerant, liebevoll
doch er kann darin weder das Seiende finden
noch sich seines Da-Seins entwinden
das ihn zum Gejagten oder zum Jäger macht
wenn das Tier im Menschen erwacht.

Der Mensch gibt sich tierische Namen
um des Menschen immanent infamen
Charakter mit Worten zu malen
doch wie kann er dann prahlen
klüger, reiner, liebenswerter zu sein
als ein Schaf, Esel, Wolf oder Schwein?
Was ist der Menschheit geblieben
außer ihren Sünden, derer sind sieben?

Eitelkeit, Wollust, Rachsucht und Neid
Habgier, Hochmut und Maßlosigkeit.
Den Mächtigen macht Letztere reich
und der Schwächling tut es ihm gleich
wenn er all die Möglichkeiten entdeckt
sobald er den Kopf aus dem Moder reckt
Ruhm, Wohlstand und Wonne zu erreichen
denn dafür geht der Mensch über Leichen.

Sind die Menschen nicht längst schon Schatten
einer Identität, die sie moralisch hatten
Krüppel einer sterbenden Kultur
die sich einst erhob über die Natur
die sie als Krankheit identifizierte, sezierte
und der sie das eigene Herz amputierte
um ganz nüchtern zu kalkulieren
wer darf leben, wer muss krepieren.

So stirbt das „Menschliche“ im Wesen,
hantiert heuchlerisch mit müden Thesen
versucht schmutzige Westen reinzuwaschen
füllt heimlich seine schmutzigen Taschen
mit dem Obolus der Todgeweihten
auf deren Rücken ganze Heere reiten
in ein wüstes Land ohne Gewissen
in dem sie nichts als Menschlichkeit vermissen.

Doch der Mensch hat nicht bedacht
dass am Ende der Dritte im Bunde lacht.
Wenn er durch die Städte und Länder streicht
fällt ihm seine leidvolle Arbeit zu leicht.
Seine Sense mäht Seelen wie reifes Korn
denn der Menschen ureigener eitler Zorn
bietet ihm, dem Sensenmann
jeden Tag tausend Opfer an.

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